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Moralisch gesehen ist ein Philosoph, der seine fachmännische Kompetenz für alles, nur nicht für eine unvoreingenommene Suche nach der Wahrheit, einsetzt, einer Form von Verrat schuldig.
- Bertrand Russell
Im Sommer 1997, während des Trubels um das 50ste Jubiläum des Absturzes von Roswell meldete sich jeder, der eine Meinung über UFOs besaß, zu Wort. Echte Gläubige pilgerten in ihr Mekka, um ein mystisches Bewusstsein ihrer außerirdischen Brüder zu erlangen, ein bisschen Geld auszugeben und eine gute Zeit zu haben. Die Kassen der Roswell-Verkäufer klingelten. Fernsehkameras waren im Überfluss vorhanden und Talkmaster lächelten über die Phantastereien, machten sich über alles ein wenig lustig und gaben klangvoll vor, sich zu wundern, ob dieses ganze Alien-Zeug real sein könnte.
Das Roswell-Medien-Event war wirklich der Höhepunkt eines mehrere Monate andauernden Anstiegs von Nachrichten über UFOs, die sich 1997 über Amerika verbreiteten. Einige dieser Nachrichten waren ziemlich seriös, andere schockierend, so wie die Tragödie im März um Heaven’s Gate, ein Massenselbstmord, der die öffentliche Auffassung, dass UFO-Gläubige verrückt sind, bestärkte. Im April erzählte ein Sprecher des Pentagon der Presse, dass das Militär schon „seit langem“ das Verfolgen von UFOs eingestellt habe. Von den 12.618 UFO-Sichtungen, die der Air Force von 1947 bis 1969 berichtet worden waren, so sagte er, zeige keine irgendeinen Beweis für Außerirdische, nicht einmal für eine exotische Technologie. Selbst die offiziellen „unidentifizierten“ UFO-Berichte hätten offensichtlich nichts mit Außerirdischen zu tun, was auch immer sie sonst gewesen sein mögen. Die Nachrichtenagentur Associated Press berichtete darüber ohne zusätzliches Kommentar. Dieser Frühling sah auch die Veröffentlichung von Colonel Philip Corsos kontroversem Buch The Day After Roswell, worin behauptet wird, dass in Roswell erlangte außerirdische Technologien zur amerikanischen Verteidigungsindustrie geschleust wurden. Corso war eine Blamage aufgrund seiner Verbindungen zu US-Senator Strom Thurmond, der freundlicherweise ein Vorwort geschrieben hatte, das Corsos langzeitige Verbindung zum Militär anpries. Es folgte ein Medienansturm und Thurmond behauptete schnell, nichts von Corsos These zu wissen, zog sein Vorwort zurück und bestritt alles Wissen über UFOs.
Es erschienen auch mehrere entlarvende Arbeiten, so wie die von Kal K. Korff und Karl Pflock. Pflock ist noch einer in einer langen Liste von CIA-Leuten, die sich mit UFOs beschäftigen, wohingegen Korff von vielen verdächtigt wird, mit der Behörde in Kontakt zu stehen. Ihre Bücher unterstützten beide die Aussage, dass UFOs Unsinn seien, und ich schrieb woanders ausführlich über Korff [1]. Doch auch das Establishment selber ging 1997 noch in den Ring: Die Air Force und die CIA sponserten Papiere, die UFOs entlarven sollten. Es waren diese zwei Argumente, die den Löwenanteil der Aufmerksamkeit der Mainstream-Medien erhielten.
Die Air Force, wenn Sie sich erinnern, gab ihre berüchtigte Dummy-Abwurf-Erklärung heraus. In den mittleren und späten 1950ern hätte man Dummys von Fallschirmen nicht weit von Roswell abgeworfen und behauptet, dass der Zeitabschnitt das Gedächtnis einiger Leute verwirrt habe, sodass sie denken, dies seien außerirdische Körper von 1947 gewesen. Ja, für mich klingt das auch dumm, aber erzählen Sie das mal der Air Force. Wie auch immer, dies war nur ein Zusatz zu der früheren Erklärung für Roswell: Projekt Mogul, ein geheimes Ballon-Projekt um zu erfahren, wenn die Sowjets eine Atombombe zünden. Die Entwicklung der Erklärung der Air Force für die Roswell-Kontroverse ist ein intriganter und verzerrter Weg. Aber unser Thema ist das offizielle Statement des Jahres 1997 über UFOs.
Das ist die Studie von Gerald K. Haines, dem offiziellen Historiker der CIA [2]. Ich war schon ein wenig vertraut gewesen mit seiner Arbeit: Früher, in den Tagen meiner Doktorarbeit, als ich mich mit einem Haufen Zeitschriften abplagte, begegnete ich mehrerer seiner Artikel über außenpolitische Beziehungen der USA. Haines war in jeder Hinsicht Teil des Establishments. Tatsächlich umfasst sein Lebenslauf mehr als die CIA. Er schließt auch das National Reconnaissance Office ein, die vielleicht geheimste Organisation in der gesamten amerikanischen Regierung. Unter anderem überwacht das NRO alle Spionagesatelliten. Wir können berechtigt schlussfolgern, dass, wenn UFOs real und außerirdisch wären, das NRO davon wüsste (ob sie uns das erzählen würden, ist eine andere Sache). Also hier war Gerald Haines, der vom Berg herunterkam um zu erzählen über... UFOs!
Natürlich sollte der Leser daran erinnert werden, dass Haines’ Artikel selbst lediglich die deklassifizierte Version des Artikels war, den er für diejenigen mit einem „need to know“ geschrieben hatte. Viel Glück beim Erlangen der klassifizierten Version – vielleicht werden unsere Regierenden uns in ferner Zukunft als Folge eines Freedom of Information Act Antrags mit der vollen Version beehren.
In der Version, die wir lesen durften, machte er zwei grundlegende Aussagen. Die erste war, dass, obwohl sich die CIA bis in die frühen 1950er mit UFOs beschäftigt habe, sie seitdem „den Phänomenen nur begrenzte und nebensächliche Aufmerksamkeit geschenkt habe“. Zweitens erklärte Haines, dass „mehr als die Hälfte“ angeblicher UFO-Sichtungen in den Vereinigten Staaten von Mitte der 1950er bis Ende der 1960er in Wirklichkeit klassifizierte und/oder experimentelle Fluggeräte, so wie die U-2 oder SR-71 Spionageflugzeuge, waren. Leute sahen solche ungewöhnlichen Fluggeräte und nahmen an, dass sie noch ungewöhnlicher wären. Die CIA wäre an all dem interessiert gewesen, da Bürger ihre Fluggeräte sahen. Auch das Air Force Projekt Blue Book hätte über alles bescheid gewusst und versucht, dieses mit Erklärungen zu verbergen, über welche kritisch urteilende Leute wiederum hätten sagen können, dass sie absurd sind. Auch wenn die Motive von Blue Book verständlich und sogar lobenswert waren, war das Ergebnis ein Verlust an öffentlicher Glaubwürdigkeit von Fähigkeit und Integrität der Air Force.
Das waren wichtige Aussagen. Sie schienen alles aufzuklären: Dass die CIA und die Air Force die Öffentlichkeit über UFOs in die Irre geführt hatten. Die Verschwörungstheoretiker schienen recht zu haben – zumindest ein kleines bisschen. Aber die wirkliche Erklärung für das UFO-Rätsel, schrieb Haines, wäre viel einfacher als der Gedanke eines außerirdischen Besuchs. Das heißt, UFOs haben existiert – sie waren nur klassifizierte, und oft experimentelle Fluggeräte
Es ist leider wahr, dass die Massen dieser Welt an einem Ring in ihrer gemeinsamen Nase herumgeführt werden. Vielleicht ist es ein Trost zu wissen, dass es schon immer so war, vielleicht auch nicht. Über Haines’ Artikel wurde unmittelbar, weitverbreitet und unkritisch in den Medien berichtet. Man kann annehmen, dass es mehr als nur Glück war in seiner Fähigkeit, genau im richtigen Moment unmittelbare nationale Aufmerksamkeit für eine Angelegenheit aktuellen öffentlichen Interesses zu erlangen. Es gab sicherlich viele achtbare Personen, die sich unbemerkt abplagten und es geliebt hätten, diese Art von Publicity zu bekommen. Aber noch mal, es gibt keine Expertenteams, die die Medien machen. Die Agenturen Associated Press und Reuters zum Beispiel brachten Haines’ Story ohne kritische Bemerkung, ebenso die meisten anderen Mainstream-Publikationen. Die Auswirkung war ziemlich tiefgreifend. Ende Sommer 1997 war Haines’ Erklärung für das UFO-Phänomen im wesentlichen die Standarderklärung. Lassen Sie uns deshalb genauer prüfen, was er tatsächlich gesagt hat.
Ziehen wir das Gewicht von Haines’ Argument und den Erfolg seiner Botschaft in Betracht, so ist es überraschend, so viele auffallende Fehler zu sehen. In der Tat zerstreuen Fehler und schlampige Darstellungen den Artikel wie die Wrackteile eines abgestürzten Objektes. Überdies zeigt Haines’ Auswählen (und Auslassen) von gesicherten Fakten, dass dies nicht ein Werk der Geschichte, per se, war, sondern eine Propagandaschrift mit der Absicht, durch Täuschung und Verwirrung zu überzeugen.
Selbst wenn Haines recht hatte, lag er falsch. Nach zwanzig Sekunden Beschäftigung mit seinem Artikel, lesen wir, dass es den „ersten Bericht einer ‘Fliegenden Untertasse’ über den Vereinigten Staaten am 24.Juni 1947 gab“. Nur die Formulierung hier ist korrekt: Dies war die erste UFO-Sichtung, bei der der Ausdruck „Fliegende Untertasse“ gebraucht wurde. Das ist nicht bloß pingelig. Haines nutzte sein anwaltsartiges Wortspiel um anzudeuten, dass das offizielle Interesse an unerklärten Objekten am Himmel nicht vor Mitte 1947 begann – was falsch ist. Großzügigerweise verwies er darauf in einer Fußnote, aber vertuschte diese Tatsache vollständig im Text seines Artikel. Fakt ist, dass militärisches Personal und Zivilisten bereits solche außergewöhnlichen Objekte innerhalb der Vereinigten Staaten, über Europa und über den Weltmeeren beobachtet hatten. Während des Zweiten Weltkrieges wurden sie foo fighters genannt. 1946, über Europa, wurden sie ghost rockets genannt. Amerika hatte in der ersten Hälfte des Jahres 1947 gut-dokumentierte UFO-Sichtungen, sowie auch gelegentliche Ereignisse im Jahre 1946 und davor, erlebt. Überdies schienen diese Vorkommnisse in den amerikanischen Einrichtungen für nationale Sicherheit Interesse zu wecken. Die U.S. Eighth Army studierte die foo fighters während des Krieges, und ihr Kommandant (General James Doolittle) reiste 1946 persönlich nach Europa, um sich mit Autoritäten des schwedischen Militärs über ghost rockets zu unterhalten. Das Office of Strategic Services führte ebenso Studien über foo fighters durch. Das OSS war natürlich der Vorgänger von Haines’ Arbeitgeber, der CIA. Kein Wort über irgendetwas davon von Mr. Haines.
Haines schludert ungemein mit der Behandlung von Projekt Sign, das UFOs in der ersten Hälfte des Jahres 1948 studierte. Er schreibt, dass Air Force General Nathan Twining das Projekt 1948 gegründet habe (falsch – Twinings berühmter Brief ist von 1947) und das es „anfangs Projekt Saucer genannt“ wurde (falsch – „Sign“ war der klassifizierte, „Saucer“ der öffentliche Name für das Projekt).
Das ernste Problem jedoch war Haines’ Behandlung von Sign selber. „Zuerst ängstlich,“ schrieb er, „dass die Objekte sowjetische Geheimwaffen sein könnten, schlussfolgerte die Air Force bald, dass UFOs real, aber leicht zu erklären und nicht außergewöhnlich wären.“ Was hier außergewöhnlich ist, ist, dass Haines den Mut besaß, solch eine Aussage zu machen. Astronom und Air Force Berater J. Allen Hynek, der mit Projekt Sign in Verbindung stand, gab Erklärungen ab, die Haines direkt widersprechen. Projekt Sign habe die Sowjets beinahe von Anfang an ausgeschlossen, behauptete Hynek. Stattdessen habe die Spaltung innerhalb von Sign zwischen denen, die glaubten, die Objekte seien außerirdisch, und denen, die sie für Unsinn hielten, gelegen. Captain Edward Ruppelt, der das Air Force Projekt Blue Book in den frühen 1950ern leitete, stimmte mit ihm überein. Donald Keyhoe, Autor zahlreicher UFO-Bücher, der tief in der UFO-Clique der Regierung drinsteckte war auch der Ansicht, dass Air Force Untersucher die Möglichkeit einer außerirdischen Intelligenz hinter dem UFO-Phänomen ernstnehmen würden.
Auch ignoriert Haines die große Sommerkrise von 1948, als qualifiziertes Personal auf beiden Seiten des Atlantiks identische zigarrenförmige UFOs (mit zwei Decks aus Fenstern), die sich mit außergewöhnlicher Manövrierfähigkeit und Geschwindigkeit bewegt hatten, berichtete. Das veranlasste das Sign-Team, eine „Einschätzung der Situation“ anzufertigen, die auf dem Schreibtisch des Air Force Kommandanten Hoyt Vandenberg landete. Die Einschätzung schlussfolgerte, dass UFOs höchstwahrscheinlich das Ergebnis von außerirdischen Raumschiffen seien – eine Schlussfolgerung, die Vandenberg zurückwies.
Zur selben Zeit begann Präsident Harry Truman, von seiner Verbindung zur Air Force, Colonel Robert B. Landry, Briefings über UFOs zu erhalten. Das zumindest ist, was Landry viele Jahre später bei einem Interview gesagt hat. Obwohl Landry die Bedeutung dieser Briefings herunterspielte, gab er zu, dass sie von 1948 bis zum Ende von Trumans Präsidentschaft gehalten wurden. Das sind mehr als vier Jahre und, nach meiner Rechnung, achtzehn Briefings. Alles für eine Sache von angeblich geringem Interesse in offiziellen Kreisen. Übrigens erklärte Landry auch, dass er seine Briefings mit der CIA koordiniert habe.
Lassen Sie uns im klaren sein: Unabhängig von der Realität hinter dem UFO-Phänomen – ob es eine außerirdische Intelligenz oder eine menschliche Psychose darstellte – hatte die Sommerkrise von 1948 viele Leute im amerikanischen Militär und in Geheimdiensten dazu gebracht, über das Problem nachzudenken und alle Lösungen in Betracht zu ziehen, mit inbegriffen die extraterrestrische. Wie auch immer, in einigen Pinselstrichen malte Gerald Haines uns eine grobe Skizze, die genau auf das Gegenteil von dem, was uns die historische Vorgeschichte erzählt, schließen lässt. Die extraterrestrische Möglichkeit sei nie in Betracht gezogen worden. Aber die historische Vorgeschichte (und die vielen militärischen UFO-Berichte aus den 1940ern) zeigt uns deutlich, dass es so war.
Das beste, was Haines hätte tun können, wäre gewesen, die ausgetragene öffentliche Erklärung der Air Force der Jahre, in denen „so gut wie alle Sichtungen“ entweder durch Massenhysterie und Fälschungen oder Falschidentifizierung bekannter Objekte verursacht worden waren, zu wiederholen. Es braucht entweder eine ganze Menge Mumm, dies zu schreiben, oder das Vertrauen, dass niemand sich die Mühe machen wird, es zu widerlegen.
Und so geht es weiter. Haines schrieb in unverändertem Stil, dass auch Projekt Grudge (der Nachfolger von Projekt Sign) „bei den UFO-Sichtungen keinen Beweis für eine fortgeschrittene ausländische Waffenkonstruktion oder Entwicklung gefunden“ habe. Grudge als Autorität zu gebrauchen ist amüsant. Das Projekt sei mit „minimalen Bemühungen“ betrieben worden, Ruppelt zufolge, und seine Unterlagen seien „in eine alte Abstellkiste geschmissen“ worden, als er es 1951 übernahm. Außerdem, auch wenn die dürftigen Bemühungen bei Grudge nichts ungewöhnliches an UFOs finden konnten, gab es viele erstklassige UFO-Berichte zu dieser Zeit, die oft Angelegenheit strenger Geheimhaltung waren. Viele dieser Berichte kamen nur ans Licht, nachdem sie dem Besitz des Militärs entlockt worden waren – viele Jahre später – durch Freedom of Information Act Anfragen. Es ist unmöglich, eine solche unglaubliche Falschdarstellung der öffentlichen Vorgeschichte zu ignorieren, und dies in einer selbstsicheren und unbekümmerten Weise. Nach allem, diese Fakten waren seit vielen Jahren erhältlich. Haines hatte sie nur ignoriert.
Als Haines dazu kam, den massiven Anstieg von UFO-Sichtungen 1952 zu beschreiben, räumte sogar er ein, dass diese die Aufmerksamkeit der CIA und des Weißen Hauses erlangt hatten. Natürlich würde das kaum zu leugnen sein, wenn man in Betracht zieht, dass UFOs zwei Wochenenden hintereinander über dem Kapitol gesehen und aufgezeichnet worden waren. Die erfahrenen Luftfahrtkontrolleure, die diese Objekte auf Radar verfolgten, waren überzeugt, die Objekte seien solide metallische Objekte. Nun wiederholte Haines einfach die Beschönigung der Air Force, die erklärte, solche Radarsignale würden von „Temperaturinversionen“ versucht werden. Er lehnte es ab, die simultanen visuellen Sichtungen oder irgendetwas von der intensiven Kontroverse, die diese Erklärung umgibt, zu behandeln. In der Tat ignorierte Haines das extreme Interesse von CIA-Beamten an einer größeren Welle von UFO-Sichtungen in Nordafrika während des Sommers 1952.
Für Haines lag das Ausmaß der Beunruhigung der CIA zu dieser Zeit darin, dass die Sowjets irgendwie die amerikanische Besessenheit von Fliegenden Untertassen ausnutzen könnten oder, ernsthafter, einen Angriff starten könnten, wenn Amerikas Radareinrichtungen von „Phantom-„ (was auch immer das heißt) UFOs behindert werden würden. Haines ging an der eigentlichen Frage, was genau die UFO-Targets gewesen wären, vorbei, außer dass er sie als „Missinterpretation bekannter Objekte oder wenig verstandene natürliche Phänomene“ abwies. Als Ergebnis dieser Beunruhigung, schrieb Haines, habe die CIA den geheimen Robertson-Panel organisiert, um eine politische Entscheidung über UFOs zu fällen. Auch wenn Haines von den Mitgliedern des Panels als „hervorragende ... nicht-militärische Wissenschaftler“ sprach, waren in Wirklichkeit alle von ihnen tief in klassifizierte wissenschaftliche Forschung verwickelt. Die Probleme des Robertson-Panels waren ernsthaft und üppig – viele Autoren haben sie ausführlich diskutiert – und Haines ignorierte sie alle. Er gab nur zu, dass die Politik der CIA, ihre Förderung des Panels zu verdecken, ihrer Glaubwürdigkeit später schadete und UFO-„Fans“ dazu brachte, noch größeres Interesse und Verwicklung in die UFO-Angelegenheit zu vermuten.
Haines erwähnt insgesamt sehr wenige UFO-Berichte in seiner Studie. Es ist eine allgemeine Frustration, wenn man herunterspielende Artikel liest, die meist die tatsächlichen Berichte ignorieren. Einer der wenigen, auf die sich Haines bezog, war die Sichtung von zwei Fliegenden Untertassen 1955 durch US-Senator Richard Russell, während Russell an Bord eines sowjetischen Zuges von zwei Beratern begleitet wurde. Geheimdienstbeamte interviewten Russell bei seiner Rückkehr. Der klassifizierte Bericht war bis zu einem FOIA-Antrag 1985 nicht zugänglich. Das ist, was er aussagte:
„Da waren zwei Lichter in Richtung Inneres der Scheibe, die stationär blieben, als die äußere Oberfläche sich herumdrehte.... Die Lichter saßen nahe der Spitze der Scheibe.... Das Flugobjekt war kreisförmig. Das Flugobjekt war rund, glich einer Fliegenden Untertasse.“
Unnütz zu sagen, dass Haines solche unschönen Fakten ignorierte. Stattdessen unterstützte er die Theorie dass die Objekte „wahrscheinlich normale Düsenflugzeuge in einem steilen Aufstieg“ gewesen wären
Unglaublicherweise war dieser ganze Unsinn bloß der Prolog zur Hauptthese von Haines’ Artikel. Die besagt, dass „über die Hälfte aller UFO-Berichte aus den späten 1950ern und den 1960ern durch viele bemannte Aufklärungsflüge (nämlich die U-2) über den Vereinigten Staaten erklärt werden“. Folglich sahen die Leute, die dachten, sie hätten eine Fliegende Untertasse gesehen, höchstwahrscheinlich ein in 80.000 Fuß Höhe fliegendes Spionageflugzeug.
Diese Aussage ist so ausgefallen, so unwahrscheinlich, und doch nun so allgemein akzeptiert innerhalb der Mainstream-Kultur, sodass wir sie näher untersuchen müssen. Und dennoch ist die Erklärung so vage, so fadenscheinig, sodass wir keine Stelle haben, wo wir anpacken können. Wir erfahren nur, dass sich Blue Book der U-2 Flüge bewusst war und sein bestes tat, diese Tatsache vor der Öffentlichkeit zu verbergen, und gab somit Verschwörungstheorien Nahrung. Und das ist alles. Wir wissen zum Beispiel nicht, welche Sichtungen oder wie viele Sichtungen tatsächlich U-2 oder SR-71 Flugzeuge waren. Will Haines wirklich sagen, dass „mehr als die Hälfte“ aller UFO-Sichtungen in den Vereinigten Staaten von 1955 bis 1969 tatsächlich Spionageflugzeuge waren? War er sich im klaren darüber, wie viele Sichtungen es während dieses Zeitabschnittes gab? Allein 1965 erhielt Blue Book mehr als eintausend Berichte. Überdies erhielt Blue Book schätzungsweise einen kleinen Anteil der tatsächlichen Sichtungen, vielleicht ein Zehntel, vielleicht weniger. Zivile Organisationen so wie NICAP und APRO erhielten ebenso tausende von Berichten, die nie zu Blue Book gingen. Wie viele U-2 oder SR-71 Flüge fanden denn in den 1950ern und 1960ern statt über Amerikanischem Himmel? Waren diese Flugzeuge für die Große Welle von 1965 und 1966 verantwortlich, als die UFO-Angelegenheit eine so nationale Frage wurde, dass sie im Saal des Kongresses von Männern wie Gerald Ford diskutiert wurde? Und natürlich, lassen Sie uns nicht vergessen, dass UFO-Sichtungen seit Beginn des Phänomens international waren. In den 1940ern, 1950ern und 1960ern wurden bedeutende UFO-Sichtungen – und große Wellen von Sichtungen – in Europa, Asien, Südamerika, Afrika, Australien und auf den Ozeanen berichtet, viele auch von militärischem und Geheimdienstpersonal. Verursachten amerikanische Spionageflugzeuge auch diese?
Dieses Argument ist offensichtlich lächerlich. Und doch ist es die akzeptierte Wahrheit der offiziellen Kultur.
So eine wählerische Behandlung der Geschichte brachte Haines zu einer voraussagbaren Schlussfolgerung: Die hartnäckige UFO-Sache werde „wahrscheinlich nicht bald verschwinden, egal, was die Agency tut oder sagt“. Die weitäugigen, leichtgläubigen Massen würden glauben, was sie glauben wollen.
Wie dachte Haines, mit so einer miesen historischen Schrift davonzukommen? Denn diese Schrift ist nicht bloß unpassend. Als eine akademische Arbeit ist sie weit davon entfernt, repariert zu werden, sie ist ein hoffnungsloses Schiffswrack. Bei einem anderen Thema amerikanischer Geschichte hätte so eine schlechte Schrift niemals unversehrt davonkommen können (und würde wahrscheinlich von einem Herausgeber auf Fakten überprüft, der die Veröffentlichung verbieten würde, damit der Autor nicht seinen Ruf befleckt). Aber niemand in der amerikanischen akademischen Welt besitzt irgendwelches Wissen über UFOs, außer ein paar weit entfernte Seelen in der Wildnis. Viele haben harte Vorurteile gegenüber der Sache, und keiner würde sich jemals damit abgeben, zu untersuchen, was Haines tatsächlich behauptete. Das Ergebnis: ein vernichtender Schlag.
Offensichtlich hatte Haines nicht für seine Berufshistoriker-Kollegen geschrieben. Das ist ein bedeutender Punkt, da die meisten Berufshistoriker für ihre Kollegen schreiben, vor allem die Sachen, die in wissenschaftlichen Journalen erscheinen. In der Tat würden die meisten Amateurhistoriker durch die geheimnisvollen Schriften professioneller historischer Journale verwirrt werden. Der Verleger von Haines’ Artikel, die sehr vornehme Studies in Intelligence, ist typisch in dieser Hinsicht (natürlich auch untypisch – als Hauspublikation der CIA). Aber diesmal hatte Haines nicht für dieses Publikum geschrieben.
Vielleicht hatte er für professionelle UFO-Forscher geschrieben? Dies würde eine berechtigte Schlussfolgerung sein, oder nicht? Doch genau dort - bei den UFO-Forschern - wurden die Schwachpunkte seiner Arguments bemerkt. Kurz nachdem Haines’ Artikel erschienen war, forderten ihn einige Forscher, mit eingeschlossen Don Ecker und Bruce Macabbee (sic), heraus. Obendrein scheint es unglaubwürdig, dass Haines sich an eine Gruppe wendet die er mit seinem Artikel beschimpft.
Wenn nicht Berufshistoriker, und wenn nicht UFO-Forscher, wer dann? Urteilt man von den Reaktionen auf Haines’ Artikel ist die Antwort klar: die Mainstream-Medien. Dort war es – innerhalb von Organisationen wie Associated Press und Reuters – wo Haines unmittelbare und positive Aufmerksamkeit bekam. Es waren diese Organisationen, die seinem Artikel sofortige und internationale Verbreitung zukommen ließen.
Letzten Endes waren die Zielgruppe von Haines’ Botschaft... Sie!
Der ehemalige CIA-Direktor Allan Dulles war es gewohnt zu sagen, dass, wenn man ein Geheimnis bewahren will, man verhindern sollte, es mit jemandem zu teilen. Gerald Haines, der offizielle Historiker der CIA, hatte verhindert, ein Geheimnis zu teilen. Er gestand der Welt ein, dass, ja, die CIA wirklich eine Zeit lang an UFOs interessiert war, auch wenn sie es zu dieser Zeit geleugnet hatte. Die Agency hätte nur die Sichtungen der Öffentlichkeit von ihren Fluggeräten verfolgt. „Ah,“ ruft die Öffentlichkeit, „wir hatten recht!“
Diese Art von Dingen passiert häufig in unserer Welt. Der Zweck solcher Medienverkündigungen ist nicht, diejenigen mit speziellem Wissen zu überzeugen. Ein viel geringerer Grad an Überzeugungskraft tut gewöhnlich den Job: Stifte genug Zweifel in den Gedanken der Öffentlichkeit über ein spezielles Thema, sodass effektive Handlung verhindert ist
Ein bemerkenswertes Beispiel dieser Art von Aktivität geschah nur ein Jahr vor Haines’ Artikel, als Journalist Gary Webb den Knüller einer Lebenszeit publizierte: Eine Untersuchung der Verbindung zwischen der CIA, den nikaraguanischen Schmugglern und dem Import von Kokain. Die Schmuggler, argumentierte Webb, würden als Zwischenhändler im Drogenhandel Geld machen. Da sie von der CIA koordiniert wurden, hatte die Agency davon zu wissen und zuzustimmen. Webb hatte seine Hausaufgaben gemacht, aber die Los Angeles Times, Washington Post und New York Times zerrissen sich boshaft über ihn. Innerhalb eines Jahres war er aus dem Rennen.
Analysten der CIA haben schon lange gewusst, dass die Agency Verbindungen zur Welt des Rauschgifthandels hat. Insbesondere Webbs These wurde durch viele Beweise von anderen Forschern unterstützt. Aber die Sache ist so explosiv, dass sie untauglich gemacht werden muss, selbst wenn sie nicht widerlegt werden kann. Machte die Mainstream-Presse die Arbeit der CIA, indem sie hart über Webb herfiel? Alles, was wir mit Sicherheit sagen können, ist, dass die CIA von ihrem Beginn an versucht hat, die Medien zu manipulieren, und in den 1970ern zugegeben hat, mit 400 amerikanischen Journalisten zusammengearbeitet (z.B. bezahlt) zu haben. In der Tat legt eine jüngste Studie von Frances Stoner Saunders, The Cultural Cold War, die erstaunliche Unterwanderung durch die CIA in jeder kulturellen Sphäre während der Jahre des Kalten Krieges dar. Damit man nicht denkt, solche Aktivitäten wären ein Artefakt dieser schlechten alten Tage, gab die CIA in den 1990ern nochmals zu, solche „Verbindungen“ zu nicht genannten amerikanischen Journalisten aus Gründen der nationalen Sicherheit aufrechtzuerhalten.
Solche Verbindungen könnten doch nicht etwas mit dem Fall von Gary Webb zu tun haben, oder? Und so läuft es in unserer seltsamen kleinen Welt. Amerikas Regierung kämpft gegen Rauschgifthändler, und das ist es.
Eine große Menge an ernsthafter Überzeugungskraft (um nicht zusagen Ablenkung) muss schon da sein, um normale Bürger dazu zu bringen, einer Gesellschaft, die so kopflastig ist wie unsere, zuzustimmen. Menschen müssen ganz einfach geleitet werden und die menschliche Geschichte bietet endlose Variationen zu dieser Sache an. Aber die Öffentlichkeit ist nicht so einfach zu führen wie - sagen wir - ein Auto. Man kann nicht einfach den Schlüssel hineinstecken und losfahren. Der bessere Vergleich wäre der mit einem Pferd: Ein Tier mit einem Willen, der gebrochen und dann geleitet werden muss. Man muss ein guter Trainer und Reiter sein, um das zu tun. Manchmal würde das Tier besseres von einem bekommen, manchmal muss man wichtige Zugeständnisse machen, um es glücklich und letzten Endes formbar zu halten. Aber ein guter Reiter kann gewöhnlich diesen Job erfüllen.
In welcher Funktion handelte Haines, als er diesen Artikel schrieb? Als Berufshistoriker oder als Reiter des öffentlichen Willens? Schrieb er einfache Geschichte oder benutzte er sein Amt, um die öffentliche Abhandlung von UFOs zu manipulieren? Die Frage ist mehr als eine theoretische Übung. Was kann bei einer Organisation wie der Central Intelligence Agency die Funktion eines offiziellen Historikers sein? Sicherlich braucht die CIA, wie andere große Institutionen, einen Historiker, um Ordnung über ihren Berg von Dokumenten zu behalten. Aber natürlich ist die CIA nicht wie die meisten anderen großen Institutionen. Sie ist ein besonderer Typ, verantwortlich für die Ausübung der versteckten Außen- (und trotz angeblicher gesetzlicher Kritik, Innen-) Politik von Amerikas Planern für nationale Sicherheit. So eine Organisation spielt nicht nach den selben Regeln wie der Rest von uns.
Leute können Haines’ Motivationen ohne beweisbare Schlussfolgerung debattieren. Die Wirkung dieses Artikels ist weniger bedeckt. Nun mit einer offiziellen Erklärung für das Interesse der CIA im Ring, scheint die CIA mit einer langjährigen Sache ins Reine gekommen zu sein. Sein Artikel verwurzelte die Idee im Bewusstsein der Öffentlichkeit/Medien, dass UFOs nichts mehr als Falschidentifizierungen von hochklassifizierten, experimentellen Flugzeuge waren (und sind).
Offizielle Geschichte hat eine sehr wichtige Funktion: Wenn sie erfolgreich geschrieben wird, legt sie Bedingungen für eine Diskussion fest - die Parameter dessen, was erlaubt ist. Bisher hat Haines’ Geschichte ihren Job erledigt.
Anmerkungen:
1. Richard M. Dolan. UFOs and the National Security State: An Unclassified History. Volume One: 1941 to 1973. (Keyhole Publishing, 2000), pp. 62-65. Für Informationen, siehe http://keyholepublishing.com/
2. Gerald K. Haines. “A Die Hard Issue:
CIA’s Study of UFOs, 1947-90.” Studies in Intelligence. (Vol. 01, No. 1,
1997). Sehen Sie unter folgendem Weblink nach:
http://www.odci.gov/csi/studies/97unclass/ufo.html