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Die amerikanische Zeitschrift Physics Today enthält in ihrer Ausgabe vom Dezember 2001 einen Artikel (1), der den Konflikt des bekannten Physikers Edward U. Condon mit der Politik der frühen Jahre des Kalten Krieges schildert. Condon setzte sich in der Nachkriegszeit mit anderen ehemaligen Mitarbeitern des Manhattan-Projektes zur Entwicklung der Atombombe für die Aufklärung der Öffentlichkeit über die Gefahren der Atomenergie ein. Er forderte, die Atomenergie unter zivile Kontrolle zu geben, und kam deshalb mit dem Vorsitzenden des House Committee on Un-American Activities (HUAC), J. Parnell Thomas, in Konflikt. Thomas scheute sich nicht, diejenigen, die gegen die militärische Kontrolle der Atomenergie waren, als Spione der Kommunisten zu bezeichnen. Nicht zuletzt aufgrund Condons Liberalität und seiner Forderung nach zwischenstaatlicher Kommunikation in der Wissenschaft bezeichnete ihn ein Bericht des HUAC als „eines der schwächsten Glieder in unserer atomaren Sicherheit“.
Worauf der Artikel nicht näher eingeht, ist, dass Condon Direktor der von der US Air Force gesponserten „Wissenschaftlichen Studie Unidentifizierter Fliegender Objekte“ an der Universität von Colorado war. Dieses UFO-Projekt entstand durch das Anraten mehrerer Wissenschaftler, die eine genauere und ernsthaftere Untersuchung der Problematik forderten als es das Air Force Projekt Blue Book gewährleistete. Außerdem hatte die Air Force schon länger versucht, Blue Book an eine andere Behörde (z.B. die NASA) zu übergeben, denn selbst einige der Mitarbeiter hielten UFOs nicht für ein militärisches, sondern für ein wissenschaftliches Problem. (2) Von dieser Seite aus betrachtet hatte das UFO-Projekt der Universität Colorado von vornherein auch ein politisches Ziel, nämlich die Einstellung aller öffentlichen Tätigkeiten der Air Force in Sachen UFOs. Bedingung dafür wäre natürlich gewesen, die Existenz von UFOs im engeren Sinne zu widerlegen.
Edward Condon schreibt in „Scientific Study of Unidentified Flying Objects“, dem fast tausend Seiten langem Ergebnis des UFO-Projektes:
“…, dass eine weitere gründliche Studie der UFOs wahrscheinlich nicht gerechtfertigt sein kann bei der Annahme, dass die Wissenschaft sich dadurch weiterentwickelt.“ (3)
Damit hatte die Air Force ihre Rechtfertigung. Am 17. Dezember 1969 wurde die Einstellung von Projekt Blue Book öffentlich bekannt gegeben. Der Condon Report hatte außerdem von einem Ausschuss der National Academy of Sciences (NAS) seine Anerkennung bezüglich der wissenschaftlichen Methodik erhalten.
James E. McDonald, Professor für atmosphärische Physik an der Universität Arizona in Tucson, bezeichnete dieses Urteil am 27.Dezember 1969 in einem Vortrag vor der American Association for the Advancement of Science (AAAS) als „Beschämung“ (4) für die NAS. Anhand einzelner UFO-Sichtungsberichte aus dem Condon Report zeigt McDonald, dass die Untersuchungen oft unzureichend und die Erklärungen oft aus der Luft gegriffen waren.
Der Astrophysiker Peter A. Sturrock (5) kritisiert insbesondere die Schlussfolgerungen Condons und stellt sie in Kontrast zu den Ergebnissen der Projektmitglieder, die sich - im Gegensatz zu Condon – mit einzelnen Aspekten des Phänomens auseinandergesetzt haben. So stellt er heraus, dass Condons Schlussfolgerungen nicht immer denen seiner Mitarbeiter entsprechen. (6)
Sowohl Sturrocks als auch McDonalds Kritik sind nach Erscheinen des Condon Reports entstanden. Doch schon vorher hatte David Saunders, dann schon ehemaliges Mitglied des Projektes, zusammen mit dem Journalisten Roger Harkins ein Buch mit dem Titel „UFOs? Yes! Where the Condon Committee went wrong“ geschrieben. Es hatte das Ziel, die Öffentlichkeit noch vor dem Erscheinen des offiziellen Berichtes über die voreingenommene und unwissenschaftliche Arbeitsweise des Projektes aufzuklären. (7)
Saunders schildert, dass Condon zwar bei Beginn des Projektes dem Journalisten Harkins gegenüber gesagt habe, man könne ihn als Agnostiker bezeichnen, d.h. er habe keine Meinung zu UFOs, egal in welcher Hinsicht, aber einem anderen Reporter gegenüber stellte er fest, er werde „solange nicht an Untertassen aus dem Weltraum glauben bis er eine sehen, berühren und sie betreten würde“. Der Öffentlichkeit gegenüber verhielt sich Condon im allgemeinen mehr als ungeschickt. Indem er in seinen zahlreichen Vorträgen z.B. angab, dass hinter den UFOs seiner Meinung nach nichts als Fehlinterpretationen und Lügen steckten, machte er die Unterstützung der privaten UFO-Organisationen wie die der UFO-Zeugen natürlich zunichte. Wenn Condon seine Aufmerksamkeit schon einmal dem Phänomen widmete, beschäftigte er sich zumeist mit Sensationsgeschichten. Als er im Februar 1967 einen Brief von einem Mann aus Ontario, Kalifornien, bekam, der behauptete, die Außerirdischen hätten ihm die Landung eines Raumschiffes an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit angekündigt, informierte Condon den zuständigen Gouverneur und wartete mit einem entsprechenden Empfang auf die Landung, die natürlich nicht eintrat. Das muss Condons Selbstwertgefühl ungemein gestärkt haben. Jedenfalls war dies kein Einzelfall.
Das Fass wurde zum Überlaufen gebracht, als David Saunders zufällig ein Memo entdeckte, dass der Projektkoordinator Robert Low verfasst hatte. Es enthielt auch folgenden Abschnitt:
„Der Trick wäre, denk ich, das Projekt so zu beschreiben, dass es der Öffentlichkeit als total objektive Studie erscheint, aber den wissenschaftlichen Kreisen das Bild einer Gruppe aus Ungläubigen präsentiert, die ihr bestes versuchen, um objektiv zu sein, aber so gut wie keine Erwartung haben, eine Untertasse zu finden.“ (8)
Die Projektmitglieder verloren nun immer mehr das Vertrauen in die Projektleitung. Es wurde ihnen langsam klar, dass die Ergebnisse des Unternehmens von vornherein in eine bestimmte Richtung verliefen. Deshalb entstanden Planungen, zusätzlich zum offiziellen Bericht, der ursprünglich 2000 Seiten enthalten sollte, einen weiteren zu schreiben, der die auf den Fakten basierenden Schlussfolgerungen enthalten sollte.
Als Condon über den UFO-Forscher James McDonald, einem Kritiker des Condon Komitees, von der Vergabe des Memos an Außenstehende erfuhr, entließ er David Saunders und Norman Levine wegen Inkompetenz! Gleichfalls gab Condon allerdings an, er habe von dem Memo bislang nichts gewusst.
Letztendlich erschien die „Scientific Study of Unidentified Flying Objects“ (der Condon Report) mit den vorgesehenen Schlussfolgerungen. Der Bericht ist eine Sammlung enormem wissenschaftlichen Quellenmaterials. Seine wahre Aussage, nämlich dass UFOs immer noch ein ungeklärtes und verwirrendes Phänomen darstellen, lässt sich nur durch genaues Lesen herausstellen. Aufgrund des Umfangs lesen die meisten jedoch nur das Vorwort, das nicht mit dem Inhalt vereinbar ist. Für viele ist die Sache damit erledigt.
Der Condon Report kann (und darf) nicht
die letzte Antwort der Wissenschaft auf die UFO-Frage sein.
Anmerkungen
(1) http://physicstoday.org/vol-54/iss-12/p35.html
(2) Siehe „University of Colorado UFO
Project“, in Jerome Clark, “The UFO Encyclopedia”, 2nd edition, Omnigraphics,
1998
(3) Edward U. Condon, „Conclusions and
Recommendations“, in „Scientific Study of Unidentified Flying Objects“,
Bantam, 1969
(4) http://www.nidsci.org/articles/pdf/scienceindefault.pdf
(5) http://www.scientificexploration.org/jse/articles/ufo_reports/sturrock_condon/toc.html
(6) Peter A. Sturrock, „The UFO Enigma“,
Warner Books, 1999
(7) David Saunders & Roger Harkins,
„UFOs? Yes! Where the Condon Committee went wrong”, Signet Books, 1968
(8) Robert J. Low, 9.August 1966: Memorandum
an E. James Archer und Thurston E. Manning; veröffentlicht in Saunders
& Harkins 1968, pp. 242-244