Rätselraten über unerwarteten Meteor macht Bedarf an finanzierter UFO-Forschung deutlich
Lichterscheinungen in Süddeutschland verunsicherten Beobachter
von Hannes la Rue (Hannes.la.Rue@MUFON-CES.org)
18. April 2002

[PDF-Dokument herunterladen | 790 KB]


„UFO-Alarm in Bayern“

So schrieb die Hamburger Morgenpost. Was war geschehen?

In Süddeutschland, hauptsächlich südlich der Donau, haben in der Nacht vom 6. auf den 7. April 2002 Hunderte Menschen „mysteriöse Lichterscheinungen“ beobachtet. Bei den örtlichen Polizeidienststellen liefen die Telefone heiß. Hunderte besorgte Bürger, laut ZDF sogar Tausende, berichteten von grellen Lichtblitzen, die mit unglaublichem Tempo über den Himmel geschossen seien. Die Süddeutsche Zeitung berichtete, dass Hunderte von der Polizeidirektion Weilheim wissen wollten, „ob sie sich Sorgen machen müssen.“ Dem ZDF zufolge hatten viele Anrufer „keine Zweifel, dass diesen mal wirklich Außerirdische im Anflug waren.“ Bild schrieb sogar von einer „Panik in Bayern“. Die mysteriösen Nachtlichter hätten Funkenschweife hinter sich hergezogen und den Himmel teilweise taghell erleuchtet. Manche Anrufer vermeldeten zudem ein längeres Donnergrollen und laute Explosionsgeräusche. Ein Polizei-Beamter berichtete: „Es gab mehrere Blitze, und sogar die Fenster haben geklirrt. Ich bin selbst aufgeschreckt und habe geglaubt, es sei ein Erdbeben.“

Aufgeschreckt hatte ein außergewöhnlich heller Meteor. Wissenschaftlern des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und des Ondrejov Observatoriums bei Prag ist es nun gelungen, aufgrund von fotografischen Aufzeichnungen die Flugbahn des Meteoroiden zu rekonstruieren. Da der Meteor sehr tief in die Atmosphäre eindringen konnte, wird vermutet, dass das Objekt nicht vollständig verglüht ist, sondern dass eine Restmasse, ein so genannter "Meteorit", den Erdboden erreicht hat. Das mögliche Absturzgebiet liegt zwischen Garmisch Partenkirchen und Schwangau. Der "bayerische Meteor" war einer der am hellsten verglühenden Meteoride seit Bestehen des Feuerkugel-Netzwerkes, das bereits seit Ende der 50er Jahre in Betrieb ist und aus derzeit 25 Kameras besteht, die in Mitteleuropa von Deutschland über Tschechien, die Slowakei, Belgien, die Schweiz und Österreich verteilt sind.

Was am Sonntag dem 7. April und dem darauffolgenden Tag in den Medien geschehen war ist eine Mystifizierung eines zwar spektakulären und auch unerwarteten aber dennoch leicht, und von Fachleuten vor allem sofort zu identifizierenden Naturphänomen. Der journalistische Drang, möglichst viele Expertenmeinungen zu dem Ereignis zu erhalten führte dazu, dass Stunde für Stunde neue Theorien über dpa in die Redaktionen eintrafen. Am Ende wusste scheinbar keiner mehr bestimmt, was von Anfang an hätte klar sein können.


Bild: Links unten ist die breite Spur verglühender Partikeln und ionisierter, hocherhitzter Atmosphäre leicht zu identifizieren (Pfeil): Die Bahn des Meteors ist zu den kreisrunden scheinbaren Bahnen der Sterne "diskordant", schneidet diese also unter einem Winkel. (Bild und Text: DLR)

Unnötiges Rätselraten

Zunächst war der Wiedereintritt eines 3,5 mal 1 Meter großen Raketenstücks für die Sichtungen verantwortlich gemacht worden. Der Weltraumschrott ging jedoch am Sonntag gegen sechs Uhr morgens (MESZ) über dem zentralasiatischen Tibet nieder. Das teilte das Goddard Space Flight Center der NASA am Sonntag mit. Dem Deutschen Wetterdienst in Offenbach zufolge hätte auch der Meteor „Ikeya-Zhang“ verantwortlich sein können. Das Erscheinungsbild eines Kometen weicht jedoch extrem stark von den berichteten Beobachtungen ab. Kometen, auch hellere Exemplare wie „Ikeya-Zhang“ oder „Hale-Bopp“, einer der hellsten Kometen der letzten Jahrzehnte sind trotz allem relativ lichtschwache und vor allem sehr ferne Objekte. Die Bewegung eines Kometen am Himmel wird man nur bei stundenlanger Beobachtung feststellen können.

Was auch sehr auffällig ist, ist die Verschiedenheit der Zeugenberichte, die ja wahrscheinlich das selbe Phänomen beobachtet haben. Bei der Polizei trudelten angeblich schon „ab etwa 22 Uhr“ die ersten Meldungen ein. In einem baden-württembergischen Radiosender berichtete eine Zeugin von einer „hellen, rot-gelben Kugel“, die sie um 21:30 Uhr gesehen haben will. Eine Münchner Zeugin, die sich bei uns meldete, wollte um zwei Uhr Nachts „helle Lichtblitze am Himmel“ gesehen haben. Eine einheitliche Flugrichtung ließ sich bis heute aus den gemeldeten Berichten nicht rekonstruieren. Die nun von der DLR bekannt gegebene Flugbahn deckt sich mit Infraschallmessungen der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), die Eintritt und Explosion des Meteors südöstlich von München geortet haben.


Bild: Der rote Pfeil unten im Bild zeigt Flugrichtung und eventuellen Einschlagsort. Sichtungsberichte kamen sogar aus der Umgebung von Ulm. Die Polizei rückte nördlich von Garmisch-Patenkirchen zu Ermittlungen aus. (Bild: DLR)

Professionelle UFO-Forschung als Forderung

Aus der Reaktion der Menschen und der Medien auf das Ereignis lässt sich eine direkte Forderung ableiten. Deutschland braucht eine professionelle Melde- und Untersuchungsstelle für atmosphärische Phänomene und UFOs. Der Begriff „UFO“, den manche Medien ins Spiel gebracht haben, ist tatsächlich auch der richtige. Denn der Meteor war bis zu seiner Identifikation ein „Unidentifiziertes Fliegendes Objekt“ und somit ein „UFO“. Im Gegensatz dazu verstehen nicht-spezialisierte Personen „Ufos“ leider oft als außerirdische Raumschiffe, eine Gleichsetzung, die der Erforschung von UFOs unnötige Steine durch Vorurteile in den Weg legt. Auch Ulrich Wickert assoziierte in den Tagesthemen die Ereignisse des Wochenendes mit Außerirdischen: „Wer weiß, was da geleuchtet hat. Vielleicht war es E.T. auf dem Weg nach Hause.“

Eine derartige professionelle Melde- und Untersuchungsstelle ist in Deutschland und eigentlich in jedem Land von Nöten. Wie man lesen konnte haben die Lichterscheinungen in der Nacht zu einem Großeinsatz der bayerischen Polizei geführt. Sogar mit einem Hubschrauber mit Wärmebildkamera suchten die Beamten nach Einschlägen und Überhaupt nach einer Erklärung. In einem Krisenfall in der Zukunft könnten dringend benötigte Informationskanäle auf diese Weise verstopft werden. Wenn schon, leider wie bisher, keine echte wissenschaftliche Forschung finanziert werden kann, dann werden doch Anfragen, Berichte und Hilferufe geordnet kanalisiert.

Bestehende Meldestellen in Deutschland sind der eigentlichen Aufgabe nicht gewachsen. Es fehlt den Untersuchern an Zeit und Geld, oft auch an methodischer Kenntnis. UFO-Forschung ist – mit Ausnahme von Frankreich, den USA und Peru – offiziell Amateur-Arbeit.

Fazit

Für eine finanzierte UFO-Forschung sprechen folgende Punkte:

Derartige Strukturen bestehen in Frankreich seit nunmehr 25 Jahren. Der französische Service d'Expertise des Phénomènes Rares Aérospatiaux (SEPRA), eine Abteilung der französischen Raumfahrtagentur CNES, stellt fest, dass fünf Prozent der untersuchten Fälle unaufgeklärt bleiben.

Hannes la Rue ist Mitglied der Gesellschaft zur Untersuchung von anomalen atmosphärischen und Radar-Erscheinungen (MUFON-CES). MUFON-CES hat sich zum Ziel gesetzt, die Diskussion über UFOs auf ein wissenschaftliches Niveau anzuheben und die Kollegen über dieses Phänomen zu informieren. Die Arbeitsweise ist die pragmatischer Skeptiker und besteht im überprüfen von Augenzeugenberichten, im Aufstellen von Erklärungsmodellen und in der Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern im In- und Ausland. Die Grundüberzeugung der Mitglieder ist, dass es Phänomene gibt, die nicht identifiziert werden können. Eine Erklärung für diese kann noch nicht abgegeben werden.



, 2002, all rights reserved